Theorie und Anwendung der elasto-plastischen FEA

Theorie

Für die Einführung in die nichtlineare Finite-Elemente-Analyse unter der Berücksichtigung von Plastizität soll zunächst angenommen werden, dass die Dehnung \varepsilon sich additiv in einen elastischen und einen plastischen Anteil aufteilen lässt

 \varepsilon = \varepsilon^\mathrm{el} + \varepsilon^\mathrm{pl}.

Dabei enthält die elastische Dehnung solche Deformationen die auf der Verzerrung des zugrunde liegenden Kristallgitters beruhen. Zusätzlich werden die dauerhaften Veränderungen in der Gitterstruktur auf Grund von Versetzungswanderung und Zwillingsbildung durch die plastische Dehnung erfasst,  siehe Abbildung 1.

Abbildung 1: Gittermechanismen der elastischen und plastischen Deformation ([1] (verändert))

Daraus wird auch ersichtlich, dass die Spannung \sigma eine Funktion der elastischen Dehnungen

 \sigma = C : \varepsilon^\mathrm{el}

und nicht der plastischen Dehnungen ist. Denn auch im unbelasteten, spannungsfreien Zustand bleiben die plastischen Deformationen bestehen. Die für die plastische Deformation benötigte Arbeit wird im Gegensatz zur plastischen Dehnung nicht gespeichert, sondern in Form von Wärmeenergie an die Umgebung abgegeben. Im Spannungs-Dehnungs-Diagram kann die dissipierte Energie durch die Fläche unterhalb des Graphen abzüglich der elastischen Energie ermittelt werden, siehe Abbildung 2.

Abbildung 2: Spannungs-Dehnungs-Diagramm

Unter Last verformt sich ein Bauteil zunächst rein elastisch. Erst nach Überschreitung einer kritischen Spannung (Fließspannung \sigma_\mathrm{Y}) beginnt das plastische Fließen. Im eindimensionalen Fall ist es relativ einfach zu ermitteln ob die Fließspannung überschritten wurde. Für Rechnungen im zwei- und dreidimensionalen Raum muss aber zunächst eine Vergleichsspannung definiert werden, anhand welcher der Spannungstensor auf eine skalare Größe abgebildet werden kann. Weit verbreitet sind dafür die Gestaltänderungsenergiehypothese nach von Mises, oder die Schubspannungshypothese nach Tresca. Bei der Fließspannung ist zu beachten, dass sie in der Regel keine Konstante ist, sondern durch die vorherige plastische Dehnung beeinflusst wird. Daher muss für die Definition des Materialgesetzes meist eine Fließkurve hinterlegt werden.

Im Spannungs-Dehnungs-Diagramm ist bereits zu erkennen, dass die Abhängigkeit von Spannungen und Dehnungen unter Beachtung der Plastizität nicht mehr linear ist. Dies führt zu einer Abhängigkeit der Steifigkeitsmatrix von der Deformation und somit zu einem nichtlinearen Gleichungssystem.

 F^\mathrm{int} = K(u) \cdot u = F^\mathrm{ext}

Um dies zu berücksichtigen, muss ein Lösungsverfahren für nichtlineare Gleichungssysteme verwendet werden. Innerhalb der FEA ist das Newton-Raphson Verfahren dafür weit verbreitet. Weiter ist es in der Regel nötig, die Last inkrementell aufzugeben, damit der nichtlineare Gleichungslöser konvergiert. In Summe führen diese Effekte zu einem stark erhöhten Rechenaufwand, bedingt durch die wiederholte Assemblierung der Matrix und der Lösung des Gleichungssystems.

Anwendung in Z88Aurora

Es soll nun ein Beispiel aus dem Z88Aurora Handbuch vorgestellt werden um das Vorgehen für die elastisch-plastische Analyse zu zeigen. Der Umgang mit dem linearen Berechnungsmodul von Z88Aurora wird als Basiswissen vorausgesetzt. Zunächst wird ein neues Projekt angelegt. Anschließend muss der Berechnungsmodus von dem Standardwert „Lineare Festigkeit“ auf „Nichtlineare Festigkeit“ umgelegt werden.

Abbildung 3: Umstellung des Berechnungsmodus

Der Import der Strukturdaten geschieht in gewohnter Weise.

Abbildung 4: Model der Kugelkupplung

Um die Randbedingungen zu definieren müssen wie üblich zunächst Sets erstellt werden. Die nötigen Knotensets zur Lagerung sind in Abbildung 5 dargestellt.

Abbildung 5: Fixierungsrandbedingungen der Kugelkupplung

Zur Aufbringung der Last wird das Knotenset aus Abbildung 6 benötigt..

Abbildung 6: Set zur Aufgabe der Lasten

Dieses Set muss zweimal angelegt werden, um die 10t Stützlast in z-Richtung und die 6t Zugkraft in negativer x-Richtung anhand des Randbedingungstyps „projizierte Flächenlast“ aufzubringen.

Bisher war das Vorgehen identisch mit einer linear-elastischen Analyse. Im nächsten Schritt wird dem Körper ein Material zugewiesen. Dabei ist darauf zu achten, dass ein Material mit hinterlegter Fließkurve gewählt wird. In der Materialdatenbank ist dafür beispielsweise der Werkstoff E295 implementiert. Um zu überprüfen ob ein Material eine Fließkurve besitzt, muss es zunächst in der Materialdatenbank ausgewählt werden. Anschließend kann unter „Details“ ein Fenster mit den Materialeigenschaften aufgerufen werden. Unter dem Reiter „Nichtlinear“ findet sich hier ein Abschnitt „Fließkurve“ in dem in tabellarischer Form der Zusammenhang zwischen plastischer Dehnung und Fließspannung eingegeben werden kann.

Abbildung 7: Detailansicht des Materials

Das Materialmodel wird in diesem Beispiel als von Mises gewählt.

Zuletzt müssen nur noch die Solverparameter festgelegt werden. Im Menu „Gleichungslöser“ wird zunächst der PARDISO ausgewählt. Anschließend kann über den Menüpunkt „Solverparameter“ die Detailansicht geöffnet werden. Hier kann der nichtlineare Gleichungslöser gewählt werden. Implementiert sind das Newton-Raphson-Verfahren und das Bogenlängenverfahren. Es soll hier das Newton-Raphson Verfahren mit der Abbruchstrategie „Norm <= TOL“ genutzt werden. Die gewählte  Abbruchstrategie beendet das Lösungsverfahren wenn die Norm der zu lösenden Gleichung eine gewisse Toleranz, die als weiterer Solverparameter vorgegeben werden kann, unterschreitet. Als nächster Solverparameter kann die Anzahl an Lastschritten vorgegeben werden. Dieser Parameter ist stark abhängig von dem aufgebauten Model. Eine niedrige Anzahl an Lastschritten – und damit hohe Lastschrittgröße – kann zu Konvergenzproblemen führen. Auf der anderen Seite steigt mit der Anzahl an Lastschritten auch die Rechenzeit erheblich an. In diesem Fall werden 55 Lastschritte gewählt. Zuletzt ist es noch möglich die Rückfederung, also die Deformation nach Entlastung, zu berechnen. Auch diese Option soll hier ausgewählt werden, siehe Abbildung 8.

Abbildung 8: Einstellungen des nichtlinearen Gleichungslösers

In Abbildung 9 sind die Vergleichsspannungen pro Element aus der nichtlinearen Rechnung im Vergleich zu einer rein linearen Rechnung dargestellt.

Abbildung 9: Vergleich der Elementspannungen aus der nichtlinearen Rechnung (oben) und der linearen Rechnung (unten)

Es ist zu erkennen, dass die maximalen Spannungen in der linearen Rechnung deutlich überschätzt werden. Durch die Plastifizierung des Materials werden lokale Spannungspeaks abgebaut, wodurch eine gleichmäßigere Spannungsverteilung entsteht. Zuletzt soll noch ein Blick auf die Eigenspannungen geworfen werden. Dafür werden die Spannungen in der entlasteten Konfiguration betrachtet.

Abbildung 10: Eigenspannungen im entlasteten Zustand

Es ist zu erkennen, dass trotz einer fehlenden externen Last Spannungen existieren. Diese sind durch eine Verspannung des Materials, induziert durch die plastische Deformation, zu erklären.

 

[1] Rösler, J., Harders, H., & Bäker, M. (2012). Mechanisches Verhalten der Werkstoffe. Springer-Verlag.

 

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