Gehäuseschwingungen mit Z88

Getriebegehäuse, wie sie beispielsweise für Zahnradgetriebe eingesetzt werden, haben die Aufgabe, Wellen über Lager zu führen und dabei Lagerkräfte sowie Abstützmomente aufzunehmen. Zur ganzheitlichen Getriebeauslegung existieren analytische und numerische Ansätze, um zum Beispiel Wellenverlagerungen sowie Lagersteifigkeiten zu berücksichtigen.

In diesem Kontext ist auch die elastische Eigenschaft von Gehäusestrukturen sowohl im statischen als auch dynamischen Verhalten des Gesamtgetriebesystems maßgeblich beteiligt [1–3]. Abbildung 1 zeigt das Zusammenspiel einzelner Komponenten in einem Gesamtgetriebesystem aus der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. anhand der Modellierung in der FVA-Workbench [4].

Abbildung 1: Gesamtgetriebemodell in der FVA-Workbench [4], Bildquelle: https://www.fva-service.de/de/software/

Das Getriebegehäuse spielt auch in der Maschinendynamik eine zentrale Rolle, da es infolge der Körperschall-Ausbreitung zwischen Antrieb und Abtrieb als schwingfähige Struktur unter anderem dazu beitragen kann, Luftschall und damit verbunden Lärmemissionen zu erzeugen. Daher ist eine weitere Aufgabe von Getriebegehäusen, dass Geräusche und Vibrationen durch eine geeignete Bauform oder Werkstoffwahl gedämpft werden. Zur dynamischen Charakterisierung der Gehäusekomponente wird am Beispiel mit Z88 die grundlegende FE-Berechnung aller kritischen Eigenschwingungen durchgeführt. Dabei sind insbesondere die tiefsten Eigenfrequenzen für das Gehäuse technisch relevant, die im Anregungsfrequenzband des Antriebsstranges bzw. Getriebes liegen.

Eigenschwingungsberechnung

Abbildung 2 zeigt die Gehäusegeometrie als CAD-Modell mit anschließender FE-Vernetzung durch Z88Aurora®. Für komplexe Bauteile oder Baugruppen haben sich quadratische Tetraederelemente als sehr effizient erwiesen. Diese gewährleisten eine performante Vernetzungs- und Berechnungszeit in gängigen FE-Systemen. Im nächsten Schritt werden Festhaltungen an den Aufhängungen der Gehäusestruktur durch Knotensets an der Unterseite definiert, um in den Ergebnissen später potenzielle Starrkörpermoden nahe einer Frequenz von 0 Hz zu unterbinden.

Abbildung 2: Erstellung der FE-Vernetzung aus Tetraeder-Elementen Nr. 16 (mit 10 Knoten) und Festlegung von Festhaltungsrandbedingungen über Z88Aurora®V6

Die Informationen der Massenträgheit werden in der Massenmatrix beschrieben. Analog zur Elementsteifigkeitsmatrix wird zunächst über die Informationen der Formfunktionen und der für ein Element als konstant angenommenen Massendichte numerisch integriert:

 M_e = \iiint_{V_e}^{o} \rho_e N^T N dV

Für die qualitative Beschreibung der Schwingverhaltens im Resonanzfall muss in der Eigenschwingungsberechnung ein Eigenwertproblem gelöst werden, sodass Eigenkreisfrequenzen \omega_i =2\pi*f_i und Eigenformen  \varphi_i als Ergebnis auftreten.

Das verallgemeinerte Eigenwertproblem, in dem sich (ohne Dämpfung) die Terme aus Gesamtmasse und Gesamtsteifigkeit die Waage halten, lautet wie folgt:

 (K - \omega^2 M) \Phi= 0

Mithilfe von etablierten Lösungsalgorithmen wie z. B. der Methode nach Lanczos und den Sturm’schen Ketten, können auch schon für große FE-Modelle die ersten Eigenschwingungen in Z88Aurora berechnet werden [5].

Abbildung 3:  Betrachtung der ersten Eigenschwingungen im Postprozessing mit Z88Aurora®V6

 

Abbildung 3 visualisiert die ersten Schwingformen der massenormierten Eigenvektoren aus dem berechneten Eigenwertproblem über eine Schnittdarstellung zusätzlich mit der Skalierungsfunktion in Z88Aurora®. Somit können die dynamischen Eigenschaften an den Lagerstellen besser betrachtet werden.

Dynamische Reduktion

Jetzt wollen wir wieder die Brücke zum anfangs gezeigten Getriebesystem schlagen. Denn für die realitätsnahe Abbildung des Schwingverhaltens von gesamten Antriebssträngen üben die Steifigkeiten sowie Massenträgheiten von Getriebegehäusen einen entscheidenden Einfluss auf das angrenzende Getriebe (Verzahnungs-Welle-Lager-System) aus. In komplexen Getrieben ist häufig eine dynamische Verzahnungsanregung als Quelle der Schwingungsausbreitung zu beobachten. Daher soll auf Basis der gemeinsamen Schnittstelle zum Getriebe das Steifigkeits- und Massenträgheitsverhalten für das FE-Gehäuse nun in einer kompakten, effizienten Form berechnet werden. Die statische Reduktion nach Guyan ist eine Möglichkeit hierfür. Das Verfahren konnte in einem Forschungsprogramm für mehrteilige Gehäuse erweitert werden, sodass der Bauteilkontakt von interagierenden Gehäusekomponenten im elastischen Verhalten berücksichtigt wird [6]. Die Steifigkeit einer solchen Baugruppe wird auf die Schnittstelle der mit dem Getriebe gemeinsamen Wälzlager reduziert. Hierfür werden acht Referenzpunkte an die FE-Knoten aller zugehöriger Gehäuselagersitze gekoppelt, siehe Abbildung 4 [7].

Abbildung 4: Ankopplung der mittig platzierten Referenzpunkten dienen als Reduktionsknoten

Über die Vorschrift der dynamischen Reduktion nach HURTY/CRAIG-BAMPTON wird automatisiert in Z88 die dynamisch kondensierte Steifigkeitsmatrix und jetzt zusätzlich auch die Massenmatrix an den Referenzpunkten bereitgestellt. Auf diese Weise kann ein FE-Gehäuse in der Gesamtauslegung für Berechnungsprogramme, die sich schwerpunktmäßig mit dem Getriebesystem auseinandersetzen, berücksichtigt werden [3]. In den Gleichungen der Methode ist zu erkennen, dass eine Aufteilung der FE-Knoten in Haupt- (m) und Nebenfreiheitsgrade (s) erfolgt und des Weiteren die anfangs bestimmten Eigenvektoren Φ_s auftreten, siehe Abbildung 5.

Abbildung 5: Dynamische Reduktion des FE-Gesamtgleichungssystems auf ein System mit kleinen Matrizen für Masse und Steifigkeit [8]

Über die Transformationsmatrix können somit die Massen- und Steifigkeitsmatrix (analog übrigens auch die Kraft auf der rechten Seite) des Gehäusemodells reduziert werden:

 K^{dyn}_{red} = T^T_{dyn} KT_{dyn}

 M^{dyn}_{red} = T^T_{dyn} MT_{dyn}

Diese Methode wird in einem aktuell laufenden Vorhaben der Forschungsvereinigung vorangetrieben und soll anhand des gezeigten Anwendungsfalls die Bedeutung zur Beschreibung von kritischen Schwingungen in der Antriebstechnik aufzeigen.

Literatur

[1]

Schweigert, D.; Wittmann, J.; Otto, M. et al.: FVA-Heft 1453, Forschungsvorhaben FVA 711 II – RIKORplusZ88 II, Erweiterung der Detailtiefe bei der Berücksichtigung von elastischen Gehäusestrukturen in der Getriebeauslegung mit RIKOR, Abschlussbericht, Heft 1453, Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V., Frankfurt am Main, 2021.

[2]

Hofer, M.; Glenk, C.; Theling, J. et al.: FVA-Heft 1513, Forschungsvorhaben FVA 774 I – Dachprojekt Themenkomplex Planetenradverformung, Abschlussbericht, Heft 1513, Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V., Frankfurt am Main, 2022.

[3]

Wittmann, J.; Schweigert, D.; Hüter, F. et al.: Forschungsvorhaben FVA 711 III – Bestimmung der Schwingungsantwort an Gehäusestrukturen infolge der Verzahnungsanregung, Forschungsantrag. Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V., Frankfurt am Main, 2023.
[4]

Anonym: FVA Workbench, https://www.fva-service.de/de/software/ [Zugriff am: 10.07.2024].
[5] Rieg, F.; Hackenschmidt, R.; Alber-Laukant, B.: Finite Elemente Analyse für Ingenieure – Grundlagen und praktische Anwendungen mit Z88Aurora. Hanser; Ciando, München, 2019.

[6]

Hüter, F.; Tremmel, S.: FVA-Heft 1617, Forschungsvorhaben FVA 979 I – Statische Reduktion mit verklebtem Bauteilkontakt, Abschlussbericht, Heft 1617, Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V., Frankfurt am Main, 2024.

[7]

Billenstein, D.: Finite-Elemente-Strategien zur Berücksichtigung des elastischen Umfelds in der Topologieoptimierung. Bayreuth, Universität Bayreuth, Dissertation, 2019.

[8]

Billenstein, D.; Wittmann, J.; Rieg, F.: Dynamische Kondensation auf Basis von Z88, 21. Bayreuther 3D-Konstrukteurstag, Bayreuth, 2019.

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