Berechnung und Auslegung von Pressverbänden

Einführung

Pressverbände sind eine weit verbreitete Methode, um Wellen und Naben miteinander zu verbinden. Diese Verbindungstechnik schafft haltbare und rüttelsichere Verbindungen, die in der Lage sind, große und schlagartig auftretende oder wechselnde Kräfte zu übertragen. Ein entscheidender Vorteil von Pressverbänden besteht darin, dass sie auf zusätzliche Verbindungselemente verzichten, wodurch keine Kerben in die zu verbindenden Bauteile eingebracht werden müssen. Dies führt zu einer erheblich höheren Betriebsfestigkeit der  verbundenen Teile.

Pressverbände finden in einer Vielzahl von Anwendungen Verwendung, insbesondere in Getrieben, Großmaschinen und im Kranbau. Sie werden eingesetzt, um eine breite Palette von Komponenten wie z.B. Zahnräder, Laufräder, Turbinenläufer, Gebläseräder, Ankerscheiben und ähnliches auf Wellen zu fügen. Diese bewährte Technik gewährleistet dauerhafte und zuverlässige Verbindungen in kritischen Anwendungen, in denen hohe Belastungen und extreme Bedingungen auftreten können.

Für die Auslegung von Pressverbänden stehen dem Ingenieur verschiedene Berechnungsmethoden mit unterschiedlichen Modellierungsgraden zur Verfügung. In diesem Beitrag sollen einige von ihnen vorgestellt und bewertet werden.

Analytik

Die erste Methode verwendet einen rein analytischen Ansatz, der in der DIN 7190-1 [1] für zylindrische Pressverbände und in der DIN 7190-2 [2] für kegelige Pressverbände beschrieben wird.

Bei der Anwendung der DIN ist es wichtig zu beachten, dass die Herleitung des analytischen Ansatzes auf der Annahme von Zylindern gleicher Länge beruht. Näherungsweise kann die DIN auch auf davon abweichende Pressverbände angewendet werden, jedoch können die Spannungsüberhöhungen an den Nabenkanten, sowie der variable Druckverlauf bei nicht zylindrischen Bauteilen nicht abgebildet werden.

 

Zur Bestimmung des Fugendrucks ist zunächst das wirksame Übermaß U_\mathrm{w} nach

 U_\mathrm{w} = \begin{cases}  (A_\mathrm{oI} - A_\mathrm{uA} ) - 0.4 (R_\mathrm{zA} + R_\mathrm{zI}) \ (1) \\  (A_\mathrm{uI} - A_\mathrm{oA} ) - 0.4 (R_\mathrm{zA} + R_\mathrm{zI}) \ (2)  \end{cases}

(1): für das Höchstübermaß
(2): für das Mindestübermaß

zu bestimmen. Dabei ist  A_\mathrm{**} das obere oder untere Abmaß des Innen  oder Außenteils. Die Rauheit ist durch die  R_\mathrm{z} Werte beschrieben.

Anschließend können die geometrischen Hilfsgrößen Q_\mathrm{I/A} nach

 Q_\mathrm{I} = \frac{D_\mathrm{I}}{D_\mathrm{F}} \\  Q_\mathrm{A} = \frac{D_\mathrm{F}}{D_\mathrm{A}}

und das wirksame bezogene Übermaß \xi_\mathrm{w} nach

 \xi_\mathrm{w} = \frac{U_\mathrm{w}}{D_\mathrm{F}}

berechnet werden.

Im folgenden wollen wir uns auf die Berechnung von rein elastischen Pressverbänden konzentrieren. Die Erweiterung auf elastisch-plastische Pressverbände under der Voraussetzung eines vollen Innenteils und gleicher Materialkonstanten ist der Norm [1] zu entnehmen.

Als nächstes wird die Hilfsgröße

 K = \frac{E_\mathrm{A}}{E_\mathrm{I}} \left(\frac{1+Q_\mathrm{I}^2}{1-Q_\mathrm{I}^2} - \mu_\mathrm{I}\right) + \frac{1+Q_\mathrm{A}^2}{1-Q_\mathrm{A}^2} + \mu_\mathrm{A}

ermittelt. Dazu werden neben den geometrischen Hilfsgrößen Q auch die Materialkonstanten von Nabe und Welle (E_\mathrm{A/I} und \mu_\mathrm{A/I}) benötigt.

Anschließend kann der Fugendruck p_\mathrm{F} nach

 p_\mathrm{F} = \frac{\xi_\mathrm{w} E_\mathrm{A}}{K}

berechnet werden.

Für den Sonderfall eines vollen Innenteils gelten Teilweise andere Formeln die der Norm [1] zu  entnehmen sind. Die Berechnung von kegeligen Pressverbänden ist in weiten teilen identisch,  allerdings weicht die Definition einiger Größen auf Grund der unterschiedlichen Geometrie ab.  Da genaue Vorgehen ist der DIN 7190-2 [2] zu entnehmen.

Da die Berechnung nach Norm aus einer kleinen Anzahl von direkt lösbaren Gleichungen  besteht, ist ihre Umsetzung in ein Berechnungsprogramm die schnellste Möglichkeit für die  Berechnung von Pressverbänden. Eine Beispielhafte Umsetzung ist auf https://baymp.de/press.html zu finden.

Einzelanalyse

Ein Nachteil der Berechnung nach DIN ist, dass nur die Ergebnisse in der Fuge, also der  Fugendruck oder die Aufweitung, berechnet werden. Um Ergebnisse außerhalb der Kontaktzone zu erhalten, kann eine Einzelberechnung durchgeführt werden. Dabei wird einer der Kontaktkörper als FE-Volumenmodell aufgebaut. Auf dieses kann dann der Fugendruck bzw. die radiale Aufweitung als Randbedingung aufgebracht werden. Wie die Randbedingungen ermittelt werden, bleibt dem Anwender überlassen.

Nach Durchführung einer linearen FE-Analyse können relevante Größen wie Spannungen,  Verschiebungen oder Kräfte im gesamten Bauteil abgelesen werden. So kann beispielsweise der Einfluss der Pressverbindung auf die Festigkeit des Bauteils beurteilt werden, indem die  Spannungsfelder aus Pressverband und anderen Quellen, wie z.B. den Eigenspannungen aus einem Härtevorgang, überlagert werden.

Für die Berechnung der Einzelanalyse wird zunächst ein beliebiger Vernetzer verwendet um die Nabe als Volumenmodel zu erstellen. Anschließend werden Randbedingungen aufgebracht, welche die radiale Aufweitung nicht beeinflussen, aber eine Starrkörperbewegung verhindern. Um die Rotation zu unterbinden existieren zwei Ansätze. Die erste Möglichkeit besteht darin, Schnittflächen der Nabe in Umfangsrichtung zu bestimmen und deren Knoten in Umfangsrichtung zu fesseln, siehe Abbildung 1. Dieser Ansatz bietet sich an, wenn ein strukturiertes Netz verwendet wird, dass in Umfangsrichtung rotiert wurde und  alle 90° Schnittflächen aufweist. In diesem Fall kann die Fesselung durch normale  Verschiebungsrandbedingungen durchgeführt werden, welche sich numerisch besonders gut in das Gleichungssystem einbringen lassen.

Abbildung 1: Sperrung der Rotation durch virtuelle Fixpunktlagerung

Wenn das gewählte FE-System die Möglichkeit anbietet Koppelelemente zu verwenden, können diese als alternative genutzt werden. Dazu wird ein einzelner Referenzpunkt in der Mitte der Nabe definiert und in allen Freiheitsgraden gefesselt. Dieser Knoten kann daraufhin mit den Fugenknoten der Nabe anhand einer weichen Kopplung in Rotationsrichtung  verbunden werden um die Rotation der Nabe zu verhindern. Die Auswahl der Fugenknoten ist in Abbildung 2 dargestellt. Dieser Ansatz kann für beliebige Netze verwendet werden und wird daher empfohlen.

Abbildung 2: Sperrung der Fugenknoten in Umfangsrichtung durch Koppelbedingungen

Die zweite relevante Starrkörperbewegung ist die Translation in axialer Richtung. Bei zylindrischen Pressverbänden genügt es in der Regel, eine der Stirnflächen der Nabe in der entsprechenden Koordinatenrichtung festzuhalten, wie in Bild 2 dargestellt. Bei Kegelpressverbänden führt diese Methode jedoch zu Fehlern, da sie sich nicht rein radial, sondern normal zur Fuge aufweiten. Die Verformung enthält somit eine Komponente in axialer Richtung, wodurch eine Fesselung der Stirnflächen zu einer unphysikalischen Versteifung führt. Stattdessen sollten Zylinderpressverbände mit weichen Kopplungsbedingungen gelagert werden. Die Koppelbedingung in Achsrichtung wird analog zur oben beschriebenen Koppelbedingung in Umfangsrichtung aufgebaut. Da dieser Ansatz sowohl für Zylinder- als auch für Kegelpressverbände verwendet werden kann, wird er empfohlen.

Die Aufweitung kann entweder als Druckrandbedingung oder als radiale Verschiebung auf die Fugenknoten aufgegeben werden. Im untenstehenden Beispiel wurde der Fugendruck per Norm berechnet und anschließend im Einzelmodel aufgegeben. Der Anwender kann nun beliebige Ergebnisgrößen wie bspw. die Gesamtverschiebungen in visualisieren, siehe Abbildung 3.

Abbildung 3: Gesamtverschiebungen der Nabe aus einer Einzelanalyse

Die Einzelanalyse bietet eine schnelle Möglichkeit um die Spannungen und Verschiebungen im gesamten Bauteil zu ermitteln. Allerdings hängt die Ergebnisgüte stark von den aufgegebenen Verschiebungen/ Drücken ab. Spiegeln diese die realen Drücke bzw. Verschiebungen in der Kontaktfuge wieder, so sind auch die Ergebnisse der Einzelanalyse sehr gut. Häufig wird für die Ermittlung des Fugendruckes allerdings die bereits beschriebene DIN verwendet. Diese kann den Einfluss von nicht zylindrischen Bauteilen und die Spannungsspitzen an den Nabekanten nicht abbilden, wodurch sich der Fehler durch die Einzelanalyse fortsetzt.

Um genauere Ergebnisse für den Fugendruck oder die radiale Aufweitung zu erhalten kann eine Kontaktanalyse, wie im nächsten Abschnitt beschrieben durchgeführt werden.

Mehrkörperanalyse

Bei der letzten Methode zur Berechnung von Pressverbänden werden beide Körper als FE-Volumen modelliert. Um das Übermaß zu modellieren gibt es grundsätzlich zwei Ansätze:

  • Das Übermaß kann geometrisch abgebildet werden.
  • Das Übermaß kann durch Modifikation der Kontaktbedingung g abgebildet werden.

Beide Ansätze führen zu einer hohen Ergebnisgüte. Der erste Ansatz hat allerdings den Nachteil, dass für die Berechnung verschiedener Übermaße die Modelle neu aufgebaut und vernetzt werden müssen. Daher hat sich der zweite Ansatz, die Modifikation der Kontaktbedingung, als Stand der Technik durchgesetzt.

Dazu wird auf die Kontaktbedingung g ein Durchdringungsterm e addiert um die modifizierte Kontaktbedingung \tilde{g} zu erhalten

 \tilde{g} = g + e \geq 0 \qquad \text{mit} \qquad e = - e_\mathrm{max} \frac{t}{T} \qquad \text{und} \qquad t \in [0,T]

Durch die Veränderte Kontaktbedingung wird zwischen die Kontaktflächen, die zum Zeitpunkt t=0 aufeinanderliegen, ein Spalt der größe e eingebracht, der zum Ende des Kontaktalgorithmus (t=T) gleich dem Übermaß e_\mathrm{max} ist. Dieser Vorgang ist Schematisch in Abbildung 4 dargestellt.

Abbildung 4: Modellierung des Übermaßes durch modifizierte Kontaktbedingung

Das Ergebnis dieser Kontaktrechnung, zwei Körper die sich nicht mehr berühren, ist natürlich nicht eine genaue Abbildung der Realität. Da das Übermaß allerdings sehr klein im Vergleich zu den Ausmaßen der Bauteile ist, sind die Ergebnisse jedoch sehr nah an den realen Ergebnissen.

Um ein Model für die Mehrkörperanalyse aufzubauen werden zunächst beide Bauteile als Volumenmodele vernetzt und entsprechend ihrer Montagesituation positioniert. Anschließend muss die Welle gelagert werden um eine Starrkörperbewegung auszuschließen. Die einfachste Möglichkeit besteht darin, eine Stirnseite der Welle in allen Raumrichtungen zu fixieren. Dies ist in den meisten fällen die empfohlene Lagerungsart. Bei besonders kurzen und besonders elastischen Wellen, kann dies aber zu einer Versteifung der Welle führen. In diesem Fall können beide Wellenenden anhand von weichen Koppelbedingungen gelagert werden. Dazu werden zwei Referenzpunkte eingebaut welche auf der Mittelachse der Welle liegen. Die Knoten der Stirnflächen können anschließend in allen translatorischen Richtungen an jeweils einen der Referenzpunkte gekoppelt werden. Die Position der Referenzpunkt kann anschließend variiert werden um verschiedene Lagerungssituationen zu modellieren. In der Regel ist eine Positionierung in der Mitte der Stirnflächen eine gute Wahl für die Berechnung des Pressverbandes.

Wenn der Pressverband mit verklebtem Kontakt modelliert wird, muss die Nabe nicht gesondert gelagert werden. Allerdings wird der verklebte Kontakt für die Berechnung von Pressverbänden nicht empfohlen. Die vereinfachte Modellierung führt zu fehlerhaften Werten an den Kanten der Kontaktfuge.

Stattdessen wird ein reibungsfreier Kontakt für die Berechnung empfohlen. Da die Reibwerte in der Fuge relativ klein sind, ist der reibungsfreie Kontakt eine gute Näherung des realen Reibkontaktes. Weiterhin lösen sich die, durch die Reibung induzierten Verspannungen während des Betriebes. Der so entwickelte endzustand im realen Betrieb gleicht sich dem idealen reibungsfreien Pressverbands an.

Der Nachteil der reibungsfreien Modellierung ist, dass die Nabe zusätzlich gelagert werden muss. Dazu wird analog zur Einzelanalyse eine Kopplung der Fugenknoten an einen Referenzpunkt in der Mitte der Nabe gewählt. Die Kopplung erfolgt in Achs- und Umfangsrichtung um die Nabe vollständig zu lagern. Eine schematische Darstellung aller Lagerungen ist in Abbildung 5 zu sehen.

Abbildung 5: Schematische Darstellung der Lagerung von Nabe und Welle für die reibungsfreie Modellierung

Zum Vergleich mit der Einzelanalyse wurde im unten dargestellten Beispiel dasselbe Model per Mehrkörperanalyse berechnet, siehe Abbildung 6. Es ist zu erkennen, dass die berechneten Gesamtverschiebungen der Nabe zwar in derselben Größenordnung sind, aber dennoch eine deutliche Abweichung aufweisen. Diese Abweichung ist darin begründet, dass der aufgegebene Fugendruck der Einzelanalyse per Norm berechnet wurde und daher bereits einige Vereinfachungen enthielt. Obwohl beide Bauteile zylindrisch sind und damit die Forderungen der Norm erfüllen, kann der berechnete konstante Fugendruck nicht die realen Verhältnisse im Pressverband wiedergeben und führt so zu Abweichungen der Ergebnisse im gesamten Körper.

Abbildung 6: Gesamtverschiebungen von Nabe und Welle aus einer Mehrkörperanalyse

Die Verwendung der Mehrkörperanalyse erlaubt im Gegensatz zur Berechnung nach DIN die Berechnung von beliebig geformten Naben und Wellen. Bei zylindrisch geformten Kontaktpartner unterschiedlicher Länge kann die Mehrkörperanalyse den variablen Fugendruck im Gegensatz zur Berechnung nach Norm abbilden. Es ist allerdings zu erwähnen, dass an den Nabenkanten Spannungssingularitäten entstehen , wodurch die dort berechneten Spannungen abhängig von der Vernetzung unnatürlich hoch werden können. Eine Einzelanalyse ist nach der Mehrkörperanalyse nicht mehr notwendig, da die Spannungen und Verschiebungen in beiden Bauteilen automatisch mitberechnet werden. Die bessere Ergebnisgüte geht allerdings auch mit dem höchsten Rechenaufwand der vorgestellten Methoden her.

Literatur

[1] DIN 7190-1;

[2] DIN 7190-2

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