Beispiel: Topologieoptimierung eines Fahrwerkumlenkers

Grundlagen

In Z88Arion® sind zwei Verfahren zur Lösung des Optimierungsproblems implementiert: Das Optimality-Criterion (OC-)Verfahren und das Topology Optimization for Stiffness and Stress (TOSS-)Verfahren. Das OC Verfahren ist ein mathematisches Verfahren, bei dem die Steifigkeit des Bauteils maximiert wird, während das TOSS Verfahren eine Kombination aus dem OC-Verfahren zur Optimierung bezüglich der Steifigkeit und dem Soft-Kill-Option (SKO) Verfahren zur Optimierung bezüglich der Festigkeit darstellt.

Zunächst wird bei beiden Verfahren als Vorgabe für die Optimierung ein Prozentsatz für das Volumen der optimierten Variante im Vergleich zum Ausgangsbauteil benötigt, das sogenannte relative Volumen. Auch muss festgelegt werden, wann die Optimierung beendet werden soll. Dies kann entweder nach einer festgelegten Anzahl an Iterationen geschehen, oder wenn sich die Veränderung der sogenannten Designvariablen über mehrere Iterationen hinweg unter einem festgelegten Residuum befindet.

Bei der Optimierung wird der E-Modul jedes Elements variiert. Ein E-Modul nahe Null bedeutet dabei, dass das betroffene Element kaum zur Steifigkeit beiträgt und deshalb bei der Konstruktion eingespart werden kann. Ein hoher E-Modul dagegen hat ein Element mit steifem Material zur Folge. Zur Umsetzung dieses Verfahrens kann zwischen den beiden Optimierungsansätzen SIMP und RAMP gewählt werden. Je nachdem, welcher Ansatz gewählt wurde, stellt „Faktor“ den Penalty‐Faktor p (SIMP) bzw. den Faktor q (RAMP) dar, die im Z88Arion®-Benutzerhandbuch genauer erläutert werden.

Bei der Topologieoptimierung kann ein sogenannter Checkerboard-Effekt auftreten, bei dem eine abwechselnde Anordnung von Elementen mit sehr hoher und sehr niedriger Steifigkeit einen mittleren Wert suggerieren, was so aber nicht fertigbar ist. In Z88Arion® kann dies durch einen Sensitivitätsfilter vermieden werden. Als Radius für diesen Filter kann ein absoluter Wert (ABS), ein durchschnittlicher Wert (AVR) oder ein maximaler Wert (MAX) vorgegeben werden.

Zusätzlich zu den schon genannten Parametern, gibt es Werte, die nur bei Anwendung des TOSS Verfahrens zum Tragen kommen. Bei diesem Verfahren wird nach erfolgter Optimierung mittels OC-Verfahren das SKO-Verfahren angewendet. Dieses heuristische Verfahren folgt der Methode, Material an unterbelasteten Stellen zu entfernen, während es an überbelasteten Stellen hinzugefügt wird. Dabei wird eine konstante Oberflächenspannung im optimierten Bauteil angestrebt. Diese kann über den Wert der Referenzspannung festgelegt werden. Auch die Schrittweite (auch Skalierungsfaktor genannt) kann variiert werden, was dazu dient, das Verfahren sensibler oder robuster zu gestalten. In Abbildung 1 und 2 sind die aufgezählten Parameter dargestellt.

Abbildung 1: Optimierungsparameter (1)

Abbildung 1: Optimierungsparameter (1)

Abbildung 2: Optimierungsparameter (2)

Abbildung 2: Optimierungsparameter (2)

Optimierung eines Fahrwerkumlenkers

Den im Folgenden betrachteten Fahrwerkumlenker finden Sie hier als STL-Datei. Nach dem Import des Bauteils in Z88Arion® wird es nun zunächst im Präprozessor mit linearen Tetraedern vernetzt. Dazu wird der Vernetzer Netgen bei einem Wert von 2 gewählt. Anschließend benötigt man die Sets für die aufzubringenden Randbedingungen. Dabei wird unterschieden zwischen mechanischen Randbedingungen und solchen, die sich ausschließlich auf die Optimierung beziehen. Die große Bohrung soll als Festhaltung dienen. Auf die kleinen Bohrungen wirken die Kräfte des Dämpfers und des Pushrods eines Formula-Student-Rennwagens. Für die Optimierung wird zudem die große Bohrung als FixSet gewählt, das über den Optimierungsprozess hinweg bestehen bleiben muss. Die zu erstellenden Sets sind in den Abbildungen 3 bis 8 zu sehen.

Abbildung 3: Set für die Festhaltung

Abbildung 4: Set für die Kraft des Dämpfers in x

Abbildung 5: Set für die Kraft des Dämpfers in y

Abbildung 6: Set für die Kraft des Pushrods in x

Abbildung 6: Set für die Kraft des Pushrods in x

Abbildung 7: Set für die Kraft des Pushrods in y

Abbildung 7: Set für die Kraft des Pushrods in y

Abbildung 8: Fix-Set für die Optimierung

Den zuvor angelegten Sets werden anschließend die Randbedingungen (RB) zugewiesen. Das Set Festhaltung bekommt eine RB Fixierung, bei der die Verschiebungen in alle drei Raumrichtungen zu Null gesetzt werden. Auf die Sets für den Dämpfer werden eine projizierte Flächenlast von 451.44 in x-Richtung und -749.55 in y-Richtung und auf die Sets für den Pushrod 2959.34 in x-Richtung und 2766.39 in y-Richtung aufgegeben. Die Einheit der Kräfte ist in diesem Fall Newton, da ein Material aus der programminternen Materialbibliothek gewählt wurde, die mit den Einheiten N/mm/t arbeitet. Nun wird über einen Klick auf das Symbol  die Kategorie der Randbedingungen von Mechanisch auf Topologieoptimierung gewechselt. Hier wird das entsprechend benannte Set als Fix-Set gewählt, was bedeutet, dass die zu den Knoten im gewählten Set zugehörigen Elemente während der Optimierung nicht verändert werden.

Nun wird über die Materialdatenbank allen Finiten Elementen das Material zugewiesen, im Beispiel die Aluminiumgusslegierung AlSi12.

Nach Festlegen des Materials und aller Randbedingungen ist die Arbeit im Präprozessor abgeschlossen. Im Menü des Gleichungslösers werden nun die Parameter für die Optimierung festgelegt, die oben aufgeführt sind. Das relative Zielvolumen soll 30 % betragen. Unter den Optimierungsparametern wird das Abbruchkriterium zu 200 Iterationen bzw. einem Residuum vom Wert 10-4 festgelegt. Als Optimierungsansatz wird SIMP mit einem (Penalty‑)Faktor von 3 gewählt. Zur Filterung wird der Sensitivitätsfilter in der Version 1 mit einem durchschnittlichen Radius (AVR) von 1 verwendet. Die Werte im Reiter Basic II sollten möglichst bei den Standardeinstellungen (siehe Abbildung 6) belassen werden. Nähere Informationen hierzu sind im Benutzerhandbuch zu finden. Für die Optimierung mit Hilfe des TOSS Verfahrens werden im entsprechenden Reiter die Referenzspannung auf 10 und die Schrittweite auf 2 gestellt.

Abbildung 9: Standardeinstellungen im Reiter Basic II

Abbildung 9: Standardeinstellungen im Reiter Basic II

Berechnung und Vergleich

Zum Vergleich der beiden Optimierungsverfahren werden diese im Folgenden nacheinander auf das erstellte Problem angewandt. Zuerst wird das OC-Verfahren zur Optimierung in den Solvereinstellungen gewählt und die Berechnung gestartet. Je nach Prozessorleistung kann diese einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Ergebnisse können im Postprozessor angezeigt werden. Anschließend wird die Berechnung mit dem TOSS Verfahren wiederholt. Abbildung 7 zeigt einen Vergleich der Ergebnisse.

Abbildung 10: Ausgaben im Postprozessor

Im erstellten Projektordner finden sich weitere Informationen, die einen genaueren Vergleich der beiden Verfahren zulassen. Beispielsweise befindet sich im Unterordner temp des mit TOSS gerechneten Projekts die Datei OverallCompliance.txt, die die Gesamtnachgiebigkeit des Bauteils nach jeder Iteration enthält. In Abbildung 8 ist der Verlauf der Nachgiebigkeit über die Iterationen dargestellt. Deutlich zu erkennen ist der Sprung nach ca. 110 Iterationen, bei dem vom OC-Verfahren zum SKO-Verfahren gewechselt wird.

Abbildung 11: Vergleich der Nachgiebigkeit

Abbildung 11: Vergleich der Nachgiebigkeit

Zudem stellt sich nach der Optimierung ein Unterschied im Volumen des Bauteils heraus. Über das Volumen bei jeder Iteration gibt die Datei AktuellesVolumen.txt Auskunft. Im Diagramm in Abbildung 9 ist wieder der Sprung zu erkennen beim Umstieg vom OC- auf das SKO‑Verfahren. Das OC‑Verfahren hält sich streng an das vorgegebene relative Volumen, das jedoch oftmals nicht der entscheidende Faktor bei der Optimierung ist. Beim TOSS‑Verfahren kann durch den zweiten Schritt (das SKO-Verfahren) Material hinzugefügt bzw. weggenommen werden. Dadurch kann sich auch das schlussendlich erreichte Volumen im Vergleich zum vorgegebenen relativen Volumen ändern. Der Vorteil ist hierbei, dass die durch das OC‑Verfahren ermittelte Grundstruktur des optimierten Bauteils erhalten bleibt, jedoch die auftretenden Spannungen gleichmäßiger verteilt werden.

Abbildung 12: Vergleich des Volumens

Abbildung 12: Vergleich des Volumens

Für die Optimierung ist schlussendlich der Wert der mittleren Spannung am interessantesten, da dieser Wert einen Anhaltspunkt gibt, ob das Bauteil auch nach der Optimierung der vorgesehenen Belastung standhält. Die mittlere Spannung im Bauteil ist in der Datei Streuungen.txt zu finden (nur beim TOSS‑Verfahren). Hier zeigt sich nach der letzten Iteration des OC-Verfahrens eine mittlere Spannung von 36,16 MPa (am Sprung der Referenzspannung von 0 auf 10 zu erkennen). Nach der letzten Iteration des anschließenden SKO-Verfahrens zeigt sich dagegen ein niedrigerer Wert von 27,98 MPa. Die maximale Spannung wurde sogar von 122,7 MPa nach dem OC-Verfahren auf 81,05 MPa nach dem SKO-Verfahren reduziert.

Durch die Verwendung des TOSS‑Verfahrens erhält man hier also ein optimiertes Bauteil, das zwar aus etwas mehr Material besteht (höheres Volumen in der letzten Iteration), jedoch eine höhere Festigkeit und Steifigkeit hat, als das allein durch das OC‑Verfahren optimierte Bauteil. Dafür muss allerdings auch eine höhere Rechenzeit in Kauf genommen werden.

KD

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