Beispiel: Gerberträger 2

Der Gerberträger wurde von Heinrich Gottfried Gerber, einem deutschen Bauingenieur erfunden. Wenn man die Anzahl der Stützen minus 2 nimmt, erhält man die notwenige Anzahl Gerbergelenke, und die Teil-Träger sind immer statisch bestimmt. Die erste Brücke nach dem Gerber-Prinzip wurde 1864 beim Bau der Mainbrücke in Haßfurt ausgeführt; die vielleicht berühmteste Gerberträger-Brücke überspannt den Firth of Forth:

gerber2_3

Brücke über den Firth of Forth [2]

Das folgende Beispiel ist [2], S.89 entnommen und „zu Fuß“ sehr leicht zu berechnen, weil es zwar zwei Lager zuviel hat, durch die beiden Gerbergelenke aber wieder statisch bestimmt ist. Der Gerberträger reagiert viel gutartiger auf Stützenabsenkung durch nachgiebige Untergründe als ein statisch überbestimmter Durchlaufträger.

gerber2_1

Da die drei Balkenstücke jeweils für sich statisch bestimmt sind, ist die Berechnung der Lagerkräfte ein Kinderspiel, und die nun folgende FE-Berechnung ist dagegen aufwendig und eigentlich überflüssig. Sie wird hier nur gezeigt, um die Gedankengänge darzustellen, die bei der Abstarktion auf ein mögliches FE-Model notwenig sind.

Gerber-Gelenke kann man zwar sehr einfach beim sog. Reduktionsverfahren realisieren, z.B. . ZBALKEN von Rieg [4], S.360ff. Bei einer FE-Struktur ist das schwierig, es sei denn, man hat spezielle Balkenelemente, die auf einer Seite ein Gelenk aufweisen, vgl. [3], S.108ff. Daher muss man sich anderweitig behelfen:

– entweder man bildet das Gelenk durch ein sehr kurzes, biegeweiches Balkenstück ab, vgl. das Beispiel „Gerber1“

– oder man verbindet die beiden Balkenenden, die das Gelenk tragen, mit einen (kurzen) Stab oder ggf. mit einem Dreiecksverband aus Stäben.

Diesen zweiten Weg werden wir nun verfolgen. Gerechnet wird mit der OpenSource-Version Z88V14OS, weil in Z88Aurora V2 (noch) keine unterschiedlichen FE-Typen (hier Balken Nr.13 und Stäbe Nr.9) modelliert werden können. Wir legen folgendes FE-Modell an:

gerber2_2

Alle Abmessungen in cm. Dabei seien die Balken 1 ~ 2, 4 ~ 5 und 7 ~ 8 aus Holz mit einem Rechteckprofil 12 x 20 cm, also Izz= 8000 cm4 und E= 5000 N/mm2 = 500 kN/cm2. Als „Gerber-Gelenke“ setzen wir zwei kurze Stäbe aus Stahl ein, Elemente 3 und 6 mit A= 240 cm2 und E= 206000 N/mm2 = 20600 kN/cm2. Damit werden die Eingabedateien:

Z88I1.TXT:

2 9 8 27 0
1 3 0    0    0
2 3 400  0    0
3 3 500  0    0
4 3 500 10    0
5 3 600 10    0
6 3 700 10    0
7 3 700  0    0
8 3 800  0    0
9 3 1200 0    0
1 13
1 2
2 13
2 3
3 9
3 4
4 13
4 5
5 13
5 6
6 9
6 7
7 13
7 8
8 13
8 9

Z88ELP.TXT:

5
1 2 1   0 0 8000 0 0 0
3 3 240 0 0 0    0 0 0
4 5 1   0 0 8000 0 0 0
6 6 240 0 0 0    0 0 0
7 8 1   0 0 8000 0 0 0

Z88MAT.TXT:

5
1 2 52.txt
3 3 51.txt
4 5 52.txt
6 6 51.txt
7 8 52.txt

51.TXT:

20600 0.3

52.TXT:

500 0.3

Bei den Randbedingungen fügen wir sicherheitshalber an den Knoten 2, 5 und 8 eine Festhaltung in X-Richtungen ein:

Z88I2.TXT:

8
1  2  2  0
2  1  2  0
2  2  2  0
5  1  2  0
5  2  1 -4
8  1  2  0
8  2  2  0
9  2  2  0

So würde die Struktur in Z88V14OS aussehen:

gerber2_6

Nach Rechnen mit dem Cholesky-Solver und ohne Vergleichsspannungen erhält man die Schnittmomente und -kräfte („Knotenkraefte elementweise“) sowie die Lagerkräfte („aufsummierten Knotenkraefte je Knoten“) in der Datei der Knotenkräfte Z88O4.TXT. Vergleichen Sie dies mit den Ergebnissen von Mann [2], S.89:

gerber2_5

Was Sie so ohne weiteres aber nicht mit der „starren“ Statik herausbekommen, sind die Neigungswinkel und Absenkungen an den Lagern und Gelenken. Hier liefert Ihnen Z88O2.TXT:

Knoten         U(1)              U(2)              U(3)
1   +0.0000000E+000   +0.0000000E+000   +3.3333333E-003
2   +0.0000000E+000   +0.0000000E+000   -6.6666667E-003
3   +0.0000000E+000   -8.3333333E-001   -9.1666667E-003
4   +0.0000000E+000   -8.3333738E-001   -2.5000000E-003
5   +0.0000000E+000   -1.0000040E+000   -6.9985004E-014
6   +0.0000000E+000   -8.3333738E-001   +2.5000000E-003
7   +0.0000000E+000   -8.3333333E-001   +9.1666667E-003
8   +0.0000000E+000   +0.0000000E+000   +6.6666667E-003
9   +0.0000000E+000   +0.0000000E+000   -3.3333333E-003

Die Verformungen würden so aussehen, wobei Sie beachten sollen, dass Sie nur dort Verformungen sehen, wo Knoten vorhanden sind. Für die echte Biegelinie müssten Sie noch einige Zwischenpunkte setzen.

gerber2_7

Nochmal: Dieses Beispiel ist viel zu simpel für die FEM – aber vielleicht begegnet Ihnen ja einmal eine komplizierte räumliche Balkenstruktur mit Gerber-Gelenken, die für die klassische Technische Mechanik zu fummelig wird, und dann wissen Sie, wie man das per FEM lösen würde.

Quellen

Titelbild: http://www.freeimageslive.co.uk/files/images008/forth_bridge_wide_angle.jpg
[1] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fof_schema.jpeg
[2] Mann, W.: Vorlesungen über Statik und Festigkeitslehre. 2.Auflage. B.G. Teubner Verlag. Stuttgart: 1997.
[3] Rieg, F.; Hackenschmidt, R.; Alber-Laukant, B.: Finite Elemente Analyse für Ingenieure. 4. Auflage. Carl Hanser Verlag. München: 2012.
[4] Decker: Maschinenelemente. 18.Auflage. Carl Hanser Verlag. München:2011

fr

Comments are closed.